Anspruch auf Auskunft über Bestandsdaten eines sozialen Netzwerks bei beleidigenden Äußerungen

BGH, Beschluss vom 24. September 2019, Az. VI ZB 39/18

Sachverhalt

Die Antragstellerin wurde durch andere Nutzer der Plattform www.facebook.com beleidigt, indem diese Nachrichten mit beleidigendem Inhalt und unwahren Tatsachenbehauptungen an Freunde und Familienangehörige via Facebook Messenger verschickt hatten. Die Antragstellerin ging davon aus, dass Facebook die IP-Adressen, Namen und E-Mail-Adressen der Nutzer offenbaren muss, um ihr im Sinne des § 14 Abs. 3 TMG die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte zu ermöglichen. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht haben den Antrag bzw. die Beschwerde zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof hatte jedoch Erfolg.

Begründung

Der BGH begründet seine Entscheidung mit der Existenz des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG). Dieses ermöglicht ein Auskunftsanspruch des Opfers gegenüber sozialen Netzwerken bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen gegenüber sozialen Netzwerken im Sinne des § 1 Abs. 1 NetzDG. Sofern die Interessen der betroffenen Person zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung zivilrechtlicher Ansprüche überwiegen, ist zu diesem Zweck die Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art. 14 Abs. 3-5 TMG erlaubt.

Die Regelung des DSGVO beinhaltet in Art. 5 Abs. 1 Buchst. b ein Verbot der zweckändernden Weiterverarbeitung der von dem Dienstanbieter erhobenen Daten. Jedoch ermöglicht Art. 6 Abs. 4 DSGVO, dem Wortlaut nach, eine Ausnahme, die durch nationale Vorschriften zu konkretisieren ist. Dies wird auch durch den Erwägungsgrund 50 Satz 7 der DSGVO gestützt. So sollen notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zum Schutz insbesondere wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses möglich sein.

Dies wird in TMG und NetzDG entsprechend geregelt. Opfern von Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Netz soll es ermöglicht werden, aufgrund gerichtlicher Anordnung die Bestandsdaten der Verletzer von Diensteanbietern zu erhalten. Leider werden durch § 1 Abs. 1 Satz 1 NetzDG nur wenige große soziale Netzwerke erfasst, nämlich diejenigen, die dazu bestimmt sind, dass Nutzer beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Kommentar

Diese Entscheidung hat erstmals ermöglicht, die Identität der Schädiger im Internet zu aufzudecken. Leider gilt diese Regelung nur für solche sozialen Netzwerke, die mindestens zwei Millionen registrierter Nutzer haben. Der Schutz eines Opfers vor rechtswidrigen Inhalten (d.h. Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b in Verbindung mit 184d, 185 bis 187, 201a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllen und nicht gerechtfertigt sind) ist letztlich aber dennoch verbessert.

Relevante Regelung

Telemediengesetz (TMG)

§ 14 Bestandsdaten

(3) Der Diensteanbieter darf darüber hinaus im Einzelfall Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 1 Absatz 3 des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes erfasst werden, erforderlich ist.

(4) Für die Erteilung der Auskunft nach Absatz 3 ist eine vorherige gerichtliche Anordnung über die Zulässigkeit der Auskunftserteilung erforderlich, die vom Verletzten zu beantragen ist. Für den Erlass dieser Anordnung ist das Landgericht ohne Rücksicht auf den Streitwert zuständig. Örtlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Verletzte seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat. Die Entscheidung trifft die Zivilkammer. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Die Kosten der richterlichen Anordnung trägt der Verletzte. Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist die Beschwerde statthaft.

(5) Der Diensteanbieter ist als Beteiligter zu dem Verfahren nach Absatz 4 hinzuzuziehen. Er darf den Nutzer über die Einleitung des Verfahrens unterrichten.

Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG)

Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG)

§ 1 Anwendungsbereich

(1) Dieses Gesetz gilt für Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben, die dazu bestimmt sind, dass Nutzer beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen (soziale Netzwerke). Plattformen mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten, die vom Diensteanbieter selbst verantwortet werden, gelten nicht als soziale Netzwerke im Sinne dieses Gesetzes. Das Gleiche gilt für Plattformen, die zur Individualkommunikation oder zur Verbreitung spezifischer Inhalte bestimmt sind.

(2) Der Anbieter eines sozialen Netzwerks ist von den Pflichten nach den §§ 2 und 3 befreit, wenn das soziale Netzwerk im Inland weniger als zwei Millionen registrierte Nutzer hat.

(3) Rechtswidrige Inhalte sind Inhalte im Sinne des Absatzes 1, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b in Verbindung mit 184d, 185 bis 187, 201a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllen und nicht gerechtfertigt sind.

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